15.10.2021

Augenblick

Augen oder Blick? Es gibt faszinierende Fotos von Augen.

Augen oder Blick

Es gibt faszinierende Fotos von Augen. In einem Geschäft in meiner Nachbarschaft kann man sich innerhalb von fünf Minuten eine Großaufnahme der eigenen Pupille anfertigen lassen. So gerne wir auch einem geliebten Menschen in die Augen schauen, ein Foto ist nicht dasselbe wie ein erwiderter Blick.

 

Herabblicken

Blicke kommunizieren nicht immer freundliche Botschaften. Der Kinderwunsch von Sarah war so groß, dass sie ihren Mann bat, die Sklavin Hagar an ihrer Stelle zu schwängern. Als Hagar tatsächlich schwanger wurde, begann diese, auf ihre unfruchtbare Herrin herabzublicken. Das verletzte Sarah, und sie rächte sich, indem sie Hagar mit mehr als nur Blicken demütigte. Hagar floh in die Wüste, und dort erhielt sie eine Botschaft von Gott, der nicht auf sie, die rebellische Sklavin, herabsah.

 

Von Gott gesehen

Gott ergriff sogar die Initiative und ging auf die nichtjüdische Ausländerin zu. Weil er ihr Elend gehört hatte, versprach er ihr einen gesunden Sohn, den sie Ismael nennen sollte. Obwohl Gott Hagar zurück zu Sarah schickte, war Hagar von Dankbarkeit erfüllt und gab als erste Person der Bibel Gott einen Namen: „Gott, der mich sieht“. Damit drückte sie aus, dass sie sich von Gott in ihrer Not erkannt und in ihrem Herzen verstanden fühlte. Gottes mitfühlender Blick und Zusage seines Beistands gab ihr die nötige Kraft, um zurückzukehren und sich Sarahs Feindseligkeit erneut zu stellen.

 

Gott ansehen

Wie wertvoll, dass Gott uns zuerst sucht, und sieht, und liebt, noch bevor wir an ihn denken. Was für ein Privileg, dass wir Gott auch mit dem Herzen ansehen können: Im Lobpreis oder Gebet zum Beispiel wenden wir uns ihm zu. Dabei schreit so viel anderes um unsere Aufmerksamkeit: Werbung, Nachrichten, Aufgaben, Ablenkung, Arbeit, Haushalt, Medien. Doch gerade im Gebet, oder beim Lobpreissingen, gelingt es manchmal erst, den Blick von allem, was sich in uns aufstaut und sich vor uns auftürmt, abzuwenden und uns dem Allmächtigen zuzuwenden. Wie beruhigend für das aufgewühlte Herz, wenn es daran erinnert wird, dass der Allwissende uns fürsorglich ansieht! Er ist gut. Er hat alles im Blick und im Griff, und in ihm finden wir Geborgenheit. Innerlich auf Gott schauend wird uns bewusst: Er ist gut. Er meint es gut mit uns, mit dir und mir. Und er kann, was wir nicht können.

 

Zu anderen hinsehen

Er kann uns auch die Augen für andere öffnen. Kennst du das? Im Tunnelblick durch den Supermarkt, schnell zur Kasse, und wieder auf der Straße, könnte man nicht mal die Haarfarbe, geschweige denn das Wohlbefinden der Kassiererin benennen? Auch bei Freunden und Familie entgeht uns manchmal, wahrzunehmen, wie es den anderen geht. Wir sind eingeladen hinzusehen. Zuwendung braucht nicht unbedingt zusätzliche Zeit, sondern lediglich ein offenes Herz. Praktischerweise geht das auch ohne Augen: Auch ein Lächeln, ein Gruß, ein Anruf, Besuch oder Geschenk können vermitteln: Ich sehe dich. Lasst uns die Liebe wahrnehmen und weitergeben, mit der Gott uns ansieht, unser Herz sieht und uns versteht. Ein Augenblick genügt, um uns Gottes liebevollen Blick bewusst zu machen, und mit seinen Augen andere anzuschauen.

 

Von Sonja Plapper