15.08.2024

Ich muss (nicht) alles schaffen

Mein Ideal — aber warum?

Ich will alles schaffen. Bis Samstag-Abend war ich noch im Kurzurlaub mit meiner Freundin. Am nächsten Morgen halte ich meine Predigt in unserer Gemeinde. Anschließend investiere ich mich in zwei intensive Seelsorge-Gespräche. Um 14:30 Uhr sind mein Mann und ich vom Gottesdienst zuhause, im Wissen, dass gleich um 15 Uhr unsere Kaffee-Gäste klingeln werden. Da ich ja im Urlaub war, backe ich noch schnell einen Käsekuchen. Er ist im Ofen, als sie klingeln. Um 16 Uhr essen wir den noch warmen leckeren Käsekuchen. Alles geschafft!

 

Ich muss alles schaffen

Eine Woche später. Für morgen habe ich Kaffeegäste eingeladen. Gerade noch so kurz vor unserem Sommerurlaub reingeschoben. Mein Tag heute war gut gefüllt mit Arbeit, ich war einige Stunden mit meinen Neffen unterwegs, jetzt schreibe ich noch diesen Artikel, und heute Abend will ich dann eigentlich noch backen. Damit ich für morgen guten Kuchen auf dem Tisch stehen habe. Ist doch kein Problem, das krieg ich schon hin. Nur, weil ich gerade so eine gut gefüllte Woche habe, sollen doch meine Gäste keinen Nachteil davon haben. Ich will ihnen doch einen richtig leckeren, selbst gebackenen Kuchen auf dem Tisch stellen. Schlafe ich halt weniger, beeile ich mich halt mehr – Hauptsache meine Gäste sind glücklich, oder?

 

Ist es so?

„Warum kaufst du morgen nicht einfach einen Kuchen?“, fragte mich vorhin mein Mann Christian. Ja, warum eigentlich nicht? Weil es sich für mich nach Schwäche anfühlt. Als hätte ich es nicht geschafft, meinem Ideal nachzukommen, meinen Gästen einen selbstgebackenen Kuchen anzubieten. Ich will nicht den Eindruck vermitteln, dass ich gerade viel los-habe. Ich will keine Schwäche zeigen.

Während ich das schreibe, weiß ich, dass ich mal wieder einer meiner Lebenslügen auf dem Leim gegangen bin. Die „Du musst stark sein, um wertvoll und geliebt zu sein“-Lüge. Sie ist nicht wahr. Die Wahrheit ist: „Du bist wertvoll und geliebt, ganz unabhängig davon, ob du alles hinkriegst oder nicht.“ Ich darf ehrlich und authentisch leben, weil mein Wert durch Jesus festgelegt worden ist. In 1. Petrus 1,18+19 werden wir an unseren Wert erinnert, der weder von Stärke noch von Schwäche abhängt: „Denn ihr wisst, dass Gott euch nicht mit vergänglichen Werten wie Silber oder Gold losgekauft hat von eurem früheren Leben, das ihr so gelebt habt wie schon Generationen vor euch. Er bezahlte für euch mit dem kostbaren Blut von Jesus Christus, der rein und ohne Sünde zum Opferlamm Gottes wurde.“

 

Jesus hat bereits alles geschafft

Unser Wert ist so hoch, wie Jesus Christus selbst wertvoll ist. Er warf seinen Wert in die Waagschale, damit ist unser Wert ein für allemal gesichert: unbezahlbar. Jesus hat für uns alles geschafft. Weil genau das die Wahrheit ist, darf die Lüge weichen. Ich muss nicht alles hinkriegen, um wertvoll zu sein. Ich muss nicht alles hinkriegen, damit Menschen genau das kriegen, was sie (vermutlich) wollen. Nein, ich darf einfach ich selber sein. Ich darf einen Kuchen backen, wenn ich Lust und Muße habe. Genauso darf ich mir meiner Müdigkeit bewusst sein und mir eine Stunde mehr Schlaf gönnen, und dafür morgen eben einen Kuchen kaufen. Besser, als alles zu schaffen und nach außen hin das vermeintliche Ideal darzustellen, ist, in liebevoller Verbindung zu mir selbst nur das zu geben, was ich habe. Und nicht mehr. Denn: ich muss nicht alles schaffen.

 

von Nelli Bangert