14.09.2023

Lass mich deine Stimme hören

Warum Singen Gott freut und uns guttut

"Meine Taube in den Schlupfwinkeln der Felsen, im Versteck an den Felsstufen, lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören! Denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig." Im Hohelied der Liebe (2,14) lädt der Mann seine schüchterne Frau ein, sich ihm zu zeigen und ihre Stimme hörbar zu erheben. Offenbar ist sie unsicher. Sich zeigen bedeutet gesehen werden, sich äußern heißt gehört werden. Bei beidem macht frau sich verletzlich. Das Hohelied der Liebe gilt auch als Ausdruck der Sehnsucht Gottes nach denen, die an ihn glauben. Für ihn bedeutet es das größte Glück, die Stimme(n) seiner Liebsten zu hören. Die Stimme ist eine Ausdrucksform und kann fröhlich oder traurig klingen. Wer uns gut kennt, kann die Zwischentöne raushören. Gott sieht und hört uns, aber er wünscht sich, dass wir uns ihm zeigen und vor ihm unsere Stimme erheben. Kommunikation kann nur gelingen, wenn beide Parteien interagieren.

Unter der Dusche oder erst im Himmel

Das kann mit oder ohne Melodie geschehen. Längst nicht jeder Christ ist ein Gitarrist und manche trauen sich nur unter der Dusche zu singen. Doch kaum ein Einsatz der Stimme ist wertvoller. Ja, uns gilt der Auftrag: "Leidet jemand unter euch? Er bete. Ist jemand guten Mutes? Er singe Psalmen." (Jakobus 5,13). Dabei ist es unwichtig, wie schön oder schief jemand singen kann, auf das Herz kommt es an. Bis in Ewigkeit werden wir Gott lobsingen (Offenbarung 5,9; 14,3; 15,3), da können wir ruhig schon mal anfangen. Schließlich beten wir: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.

Warum Singen guttut

Singen kann man allein oder in Gemeinschaft. Während des Corona-Lockdowns war Singen in Gemeinschaft zeitweise verboten. Das war ein schmerzhafter Verlust. Bei Pfadfindern, in Kindergärten und beim Fußball wird gesungen. Warum? Sicherlich nicht nur zur Stimmbildung! Es stiftet Gemeinschaft und prägt die Identität. Außerdem fördert Singen die Gesundheit, indem es das Immunsystem stärkt, die Konzentration verbessert und zur Ausschüttung von Glückshormonen führt (Artikel von Uta Schindler, 18.3.19 im Spektrum).

Frei oder vorformuliert

Die unterschiedlichsten Lieder eignen sich zum Singen für Gott. Schon mit der Reformation im 16. Jahrhundert führte Martin Luther das Singen sogenannter "geistlicher Lieder" ein — auf verständlichem Deutsch statt Kirchenlatein. Dafür wurden Psalmen und andere Bibelverse verwendet und teilweise in Gedichtform umformuliert. Die Bibel unterscheidet drei Sorten von Liedern: Psalmen, Loblieder und geistliche Lieder (Epheser 5,19, Kol 3,16), es müssen also nicht immer nur reine Bibelverse sein, sondern es darf auch aus dem Herzen kommen.

Nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen-Lieder

Inhaltlich zeigt das Buch der Psalmen ein breites Spektrum an möglichen Liedtexten auf: Es gibt viele verschiedene Verse, die Lob und Dank ausdrücken. Andere Lieder dienen der Erinnerung an Gottes Wirken in der Vergangenheit — sei es die persönliche oder die von ganz Israel. Manche Lieder sind ein Ringen mit Unrecht und äußern Klagen vor Gott, und sogar Fürbitte findet immer wieder Eingang in die Musik. Manche Lieder drücken Trost und Zuspruch aus, andere verkünden Glaubenserklärungen oder prophetische Prognosen. Gemeinsam ist ihnen der Adressat: Gott.

Beten nach dem Vorbild der Vögel

Wenn jemand seine Stimme für oder vor Gott erhebt, ist das also mehr als vergnügtes Trällern unter der Dusche. Es ist eine kraftvolle, vielseitige, womöglich unterschätzte Form des Gebets. Besonders befreiend ist Lobgesang, wie schon Paulus und Silas im Gefängnis erlebt haben (Apostelgeschichte 16,25). Dafür braucht es weder Gesangskompetenz noch Mitsänger oder Publikum, nur IHN als Adressaten. Wie wäre es, wenn wir uns die Vögel zum Vorbild nehmen, die täglich Gott lobsingen: Ich denke, Gott würde sich freuen, täglich unsere Stimme, unsere Worte, unser Herz zu hören, womöglich mit eigenen Melodien. Und ich kann mir gut vorstellen, dass Engelchöre sämtliche schiefe Töne zu faszinierenden Harmonien ergänzen können!

Von Sonja Plapper (AK Frauen)