15.11.2023
Mein Vorbild
Feindesliebe macht den Unterschied!
© unsplash, Tom Parsons
Welche Vorbilder motivieren dich? Ich will dir von jemandem erzählen, der für mich gerade ein großes Vorbild ist. Wir finden das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter in Lukas 10,30–37: „Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber!”. „Es war ein Mensch”, fängt Jesus an zu erzählen. Es war einfach ein Mensch. Damit ist jeder gemeint. Ein Mensch — wie du und ich.
Religiöse Elite
Der Weg von Jerusalem nach Jericho geht sehr steil bergab. Circa 1000 Höhenmeter werden ins Tal überwunden. Es geht mitten durch die judäische Wüste. Zur Zeit Jesu lebten in solch abgeschiedenen verwüsteten Orten die Räuber — entwurzelte Menschen, die durch die römische Besatzung mit deren Steuererpressungen verarmt waren. Der Mensch war allein unterwegs und wurde in der Wüste überfallen, ausgeraubt, fast totgeschlagen und nackt liegen gelassen. An dem Opfer des Verbrechens kamen ein Priester und ein Levit vorbei. Priester und Leviten waren Teil des Tempelpersonals im Jerusalemer Tempel. Wenn es Jesus nur um die außergewöhnliche Hilfeleistung gegangen wäre, hätten genauso gut ein Bauer und ein Bäcker vorbeikommen können. Aber es kamen Personen vorbei, die beruflich mit Gott zu tun haben. Sie gehörten zur religiösen Elite und hatten ein großes Erwählungs- und Elitedenken. Sie hatten Reinheitsgebote zu beachten und durften sich nicht mit Blut oder durch Leichen verunreinigen. Nach der Schrift war es ihnen nicht erlaubt, diesem Menschen zu helfen.
Eigene Reinheit oder anderen helfen
Wie würden wir an ihrer Stelle handeln? Es ist ein bisschen so, als wenn wir gerade aus dem Gottesdienst kommen. Wir haben Lieder zu Gottes Ehre gesungen und dann findet mitten auf der Straße, auf der wir nach Hause gehen, ein Raubüberfall statt. Was würden wir machen? Ich weiß nicht, ob wir dieses Handeln wirklich beurteilen sollten. Es ist menschlich, sich selbst zu schützen. Doch auf diese Dynamik zielt Jesus hier ab. Vermeintlich biblische Traditionen, kirchliche Gesetze und persönliche Gewissensprägungen können uns davon abhalten, Gottes Willen zu tun und einem anderen zu helfen. Die religiöse Elite in der Bibel stellten ihre eigene Reinheit dem Leiden des Mannes gegenüber und entschieden sich sauber zu bleiben. Jesus will seine Hörer, damals wie heute, herausfordern darüber nachzudenken, wie sehr eigene Glaubensvorstellungen und Überzeugung uns davon abhalten, Gottes Willen zu tun.
Feindesliebe macht den Unterschied
Jesus setzt noch einen obendrauf. „Ein Samariter kam dahin; und als er ihn sah, jammerte es ihn; und er goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.” Die Samaritaner entwickelten mit der Zeit eine eigene religiöse Tradition und für Juden waren das die, die vom wahren Glauben abgefallen waren. Die Wirkung der Geschichte auf die damaligen jüdischen Hörer ist klar: Geholfen hat der Feind und nicht der Freund. Nicht die Nächstenliebe, sondern die Feindesliebe macht den Unterschied. Sie kostet mich richtig was. Sie ist zudem riskant, benötigt Mut und Zivilcourage.
Jesus fordert uns in Matthäus 5,44 auf unsere Feinde zu lieben und sie zu segnen; ihnen Gutes tun und für sie zu beten. Der Samaritaner überwand den Hass und die Ablehnung. Er ist mir zum Vorbild geworden!
von Heike Otparlik