15.10.2022

Unauffällige Heldinnen

Was kann ich schon tun?

Was kann ICH schon tun? Was nützt MEIN Wirken, Mühen, Leben schon? Vielleicht kennst du diese Zweifel. Ich möchte dir Zuspruch geben! Zum Lieben, dafür wurden wir geschaffen, und diese Liebe kann kleine Formate annehmen und große Kreise ziehen. Eine heimliche Heldin macht mir Mut: Noomi im Buch Rut.

Rut, die junge, fleißige Fremde erlebt eine romantische Liebesgeschichte mit Boas. Sie wird Mutter von Obed, Oma von König David, und Ahnin von Jesus Christus. Obwohl sie im Rampenlicht ihres gleichnamigen Buchs steht, verdankt sie ihre Geschichte maßgeblich ihrer Schwiegermutter Noomi. Wie Rut bin auch ich eine relativ junge, manchmal fleißige Nichtjüdin und möchte eine Lobeshymne an die vielen Noomis richten, die mein Leben und das anderer junger Frauen entscheidend geprägt haben.

Nichts zu geben?

Noomi hatte einen schweren Weg voll bitteren Leids: Sie floh vor Hungersnot ins Ausland, verlor dort ihren Ehemann und ihre beiden Söhne, nachdem diese dort frisch verheiratet, aber kinderlos waren. Ich stelle sie mir einsam, arm und hilflos in der Fremde vor. Man könnte denken, sie hatte nichts zu geben. Und doch... ließ sie ihre Schwiegertöchter an ihr Herz ran, machte sie zu Wegbegleiterinnen und Freundinnen, nannte sie sogar liebevoll ihre eigenen „Töchter“. Vor allem jedoch erzählte sie ihnen von ihrem Gott und lebte ihnen ihren Glauben vor.

In ähnlicher Weise durfte ich Wegbegleitung erleben. Eine Freundin ist geschieden, alleinstehend und kinderlos. Sie hat mir verschwenderisch großzügig Gastfreundschaft erwiesen, mir unzählige Stunden sogar nachts zugehört, für mich gebetet und mir in mehreren Wüstenzeiten beigestanden, indem sie einfach für mich da war. Auch meine verwitwete Oma und eine chronisch kranke, arbeitslose Single-Freundin haben mir besonders durch ihre Vulnerabilität und aufrichtigen Glauben geholfen. Diese Frauen nutzen ihre Kapazitäten, um Gott und anderen wie mir zu dienen. Nichts zu geben? Oh doch!

Loslassen aus Liebe

Noomi hatte tiefes Mitgefühl. Sogar inmitten ihrer unfassbar schmerzhaften Trauer erkannte sie, wie ihre Schwiegertöchter litten. Sie waren verwitwet, kinderlos, perspektivlos. Aus Liebe ließ Noomi sie los und sprach sie frei: „Kehrt um, meine Töchter, geht!“ Heiratet jemand anderen, anstatt mich gewissenhaft zu begleiten.

Es beeindruckt mich immer wieder, wie meine leibliche und eine geistliche Mutter mich von Herzen losziehen ließen, als ich jeweils gegen ihren Willen neue Wege einschlagen wollte. Ihr Vertrauen in mich und Gottes Hilfe gab mir die Freiheit, mich auszuprobieren, Fehler zu machen, Neues zu entdecken.

Bestärkung macht Mut

Rut jedoch beharrte loyal darauf, Noomi bis nach Israel und bis zum Tod zu begleiten. Rut beschloss, auch an Gott zu glauben und ihr Leben nach ihm auszurichten, wie sie es bei Noomi gesehen und gelernt hatte. Noomi lies das zu und so kamen die beiden Witwen nach Israel. Dort hatte Rut Ideen und Tatendrang. Sie wollte Noomi nach Kräften unterstützen und sie beide versorgen, indem sie zur Erntezeit Nachlese tat, eine mühsame Überlebensstrategie für die Ärmsten. Doch – unsicher wie so viele junge Frauen – erzählte sie erst Noomi von ihrem Vorschlag. „Geh hin, meine Tochter!“, ermutigte diese sie.

Wie gut tut so ein Wort der Bestätigung! Vielleicht denkst du: Ach, ich habe ihr doch nichts Neues gesagt, denn die Idee kam ja von ihr. Doch! Du hast damit ausgedrückt, dass du sie unterstützt, ihre Idee befürwortest, ihr vertraust, und das macht Mut! Ich kann unmöglich zählen, wie oft schon Menschen mir mit solchem Zuspruch geholfen haben!

Visionen wie Zündfunken

Schließlich war Noomi diejenige, die Rut zu ihrem neuen Eheglück verhalf. Sie kannte die Sitten und wusste um Ruts Chancen. Sie war erneut bereit, auf die enge Beziehung zu ihrer geliebten Schwiegertochter zu verzichten, denn sie legte ihr ans Herz: Geh soundso vor, um Boas einen Heiratsantrag zu machen. Dabei hatte Rut kein einziges Mal den Wunsch oder die Hoffnung auf eine Wiederheirat geäußert. Doch Noomi sah diese besondere Zukunftsoption für Rut und pflanzte die Vision mit weisem Rat in ihr Herz.

Manche Beziehung entsteht auf Empfehlung anderer Glaubensschwestern, aber das ist wohl die Ausnahme. Grund zur Dankbarkeit lieferten mir visionäre Mentorinnen, die mir Projekte vorgeschlagen, Möglichkeiten vor Augen gemalt, mich mit Fürbitten angefeuert und durch ihre Gaben gefördert haben. Oftmals waren es wenige Worte, die den Zündfunken gaben und jahrelang ein Echo im Herzen hinterließen.

Gott sei Dank für dich

Ich bin dankbar. So viele wertvolle Frauen prägen mein Leben und das anderer durch ihre Liebe im kleinen Format: mit Freundschaft und Wegbegleitung, Loslassen, Zuspruch, Rat und Tat, Unterstützung, Vorschlägen und Visionen. Keine von uns erreicht ihre Berufung allein. Im Leib Christi kann jeder kleine Beitrag wichtig sein. Gott sei Dank, dass es dich gibt!

Von Sonja Plapper