28.02.2022

Liebe. Ein Vortrag von Amanda Jackson

II. Liebe

Liebe ist die Geheimzutat in unserem Glaubensleben. Viel Weisheit steckt in den Worten von Epheser 3,17b-19: „Und ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet, damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt.“ Es heißt nicht verwurzelt in guter Theologie, oder in einer guten Gemeinde oder gar in Gerechtigkeit. Wir müssen verinnerlichen, wie tief und wunderbar Gottes Liebe zu uns ist. Das ersetzt nicht unseren Verstand, sondern das bestimmt alle Gedanken und Ideen.

Es gibt verschiedene Aspekte, wie die Liebe uns freisetzt:

Mich zutiefst von Jesus geliebt zu wissen, ermächtigt mich dazu, selbst liebevoll zu sein. Errettung ist ein Geschenk, völlig unverdient. Es erfüllt mich mit Liebe und ich möchte anderen gegenüber Liebe erweisen. Wenn ich aus anderen Motiven heraus handle, um andere zu bekehren oder zu beeindrucken, bleibt es kraftlos. Evangelisationsstrategien ohne aufrichtige Liebe, Fürsorge und Wertschätzung sind wie schallende Zimbeln.

Die Tiefe von Gottes Liebe zu erkennen, befreit mich von Konkurrenz- und Leistungsdruck. Ich muss weder mir selbst noch anderen beweisen, dass ich heiliger oder reiner sei. Als Mädchen wurde ich dazu erzogen, zurückhaltend zu sein und gegenüber Jungs keinesfalls zu zeigen, dass ich schlau war. Ich war mir ständig meiner Pflicht bewusst, mich gut zu benehmen. Die Eltern erwarteten von mir Gehorsam und Fleiß in der Schule und im Glauben. Erst am Ende meiner Pubertät, als ich an der Universität eine große christliche Konferenz besuchte, realisierte ich, wie sehr Gott mich liebt. Es war mein erster Schritt hin zu der Gewissheit, dass Gott mich bedingungslos annimmt. Paulus erinnert uns daran: Selbst von unserer besten Seite gesehen sind wir wertlos, solange Christi Liebe uns nicht regiert. 2. Korinther 4,14 lautet in einer englischen Übertragung: „Christi Liebe war es, die mich zu solchen Höchstleistungen bewegte. Seine Liebe hat das erste und letzte Wort in allem, was wir tun.“

Aufgrund der Liebe Jesu beurteilen wir andere nicht nach ihren Taten oder nach ihrem Aussehen. Wie befreiend das doch ist! Wir leben in einer Welt, in der man nach Aussehen, Leistung, Geld, Job, Hautfarbe oder Akzent bewertet wird. Auch Christen können verurteilend sein. Und Frauen können gehässig und gemein sein, vor allem, wenn sie sich moralisch überlegen darstellen wollen. Ich möchte ein Beispiel aus meinem Leben erzählen. Keines meiner Kinder ist gläubiger Christ. Das betrübt mich natürlich sehr. Manchmal, wenn ich das anderen Frauen erzähle, verurteilen sie mich: „Oh, sie hat bestimmt etwas falsch gemacht.“ Ich könnte dieses Thema einfach verschweigen. Aber ich möchte ehrlich und authentisch sein, damit andere Frauen sich auch trauen, ehrlich zu sein. Ehrlich zu sein über eine lesbische Schwester, einen Sohn, der mit Alkohol kämpft, Unzufriedenheit in der Ehe, häusliche Gewalt. Die Gemeinde hat bereits einen viel zu schlechten Ruf für Heuchelei und Vertuschung. Da ich vollkommen geliebt bin, kann ich es mir leisten, authentisch zu sein.

Wenn wir in Gottes Liebe verwurzelt sind, können wir hoffnungsfroh über die Umstände von heute hinwegsehen. Allein in den letzten Monaten wurde durch diese Pandemie unser Leben auf den Kopf und auf die Probe gestellt. Corona mit allen Maßnahmen und Folgen, das war bis hierher ein Marathon. Was hat das mit Liebe zu tun? Ich erinnere an Paulus. Sein Gebet für die Epheser erwuchs aus einer Situation des Leidens und der Verfolgung. Die Gemeinde war entmutigt und er wollte sie stärken, indem er sie an Gottes Liebe erinnerte. Mut und Ausdauer entstehen aus der Liebe zu Gott und zueinander. Am Anfang des Buches Exodus, vor all den berühmten Wundergeschichten um Mose und das Volk Israel, da lesen wir von fünf Frauen, die alle von Liebe bewegt handelten. Da sind die ägyptischen Hebammen, die sich dem Gebot des Pharao widersetzten, die neugeborenen Jungen zu töten. Sie taten es, weil sie Gott liebten und fürchteten. Dann lesen wir, dass Moses Mutter und seine Schwester ihr Leben riskierten, um Mose zu retten. Und schließlich gab es die Tochter des Pharao, die ihre Stellung aufs Spiel setzte, und den winzigen Sklavensäugling aufnahm. Ihre Liebe war jeweils motiviert aus tiefem Mitgefühl für die Leidenden. Sie alle sahen über mögliche Probleme und Strafen hinweg und konzentrierten sich auf eine größere Hoffnung. Wir wissen, wie die Geschichte des Volkes Israel durch Mose geprägt wurde und wie viele Wunder geschahen.

Haben wir selbst ebenfalls langfristig genug Liebe, um durchzuhalten? Liebe heißt also, das Beste zu wollen, auch für andere. Wir sind dazu freigesetzt, großzügig zu lieben, von anderen höher als von uns selbst zu denken, mit Leidenschaft zu beten, von Herzen denen Gutes zu tun, die uns nichts zurückgeben können, Frieden zu stiften, Zeit zu verbringen mit komischen Käuzen und Außenseitern. Liebe belebt! Was ich hier aufgezählt habe, steht im 12. Kapitel des Römerbriefes. Ohne Liebe können wir diese Dinge unmöglich tun. Indem uns bewusst ist, wie sehr Gott uns liebt, können wir freigiebig lieben und dienen, nicht nur den Liebenswerten, sondern auch den Unliebenswerten. Liebe bedeutet, dass wir gleichgestellt sind. Die Welt denkt in Machtverhältnissen und Hierarchien. Wir haben einen „Dienst der Versöhnung“ bekommen, um Unterschiede zu überwinden. Wenn Gott uns mit gleicher Liebe wertschätzt, wie können wir da noch abstufen? Die Welt achtet Macht. Das heißt viel zu oft die Macht der Männer und Weißen. Aber Gott beauftragt uns, alle zu lieben und ihnen zu dienen. Liebe heißt zu feiern, was ich habe, anstatt mit Mangeldenken und Opferhaltung zu leben. Manche Frauen, die sich selbst in der Gemeinde beweisen mussten, klammern sich an ihre hart erkämpften Rollen. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir loslassen und anderen den Staffelstab übergeben dürfen und ihre Begabungen feiern, ihnen den Weg ebnen. Warum? Weil hingegebene Liebe offene Hände hat, nicht geschlossenen Fäuste.

Am Beispiel von Ruth können wir diese Liebe entdecken. Großzügige, hingegebene, opferbereite Liebe kennzeichnet ihr Leben. Ruth ist Schwiegertochter und Witwe ohne Mann und Kinder. Als Moabiterin hat sie in eine jüdische Familie eingeheiratet, so ist sie auch eine Fremde. Die Situation von Naomi und Ruth – beide Witwen in der Fremde – bedeutet katastrophale Armut. Aber da ist Liebe zwischen den beiden Frauen. Ihre Freundschaft beruht darauf, dass Naomi ihrer Schwiegertochter Gott vorgestellt hat. In dieser Verbundenheit ist Ruth bereit, mit Naomi zurück nach Israel zu gehen. Dort werden sie von den heimischen Frauen nicht gerade willkommen geheißen. Man kann sich vorstellen, welche Gerüchte kursierten. Es war in der Zeit der Richter, eine Zeit, in der die Menschen ohne Gott lebten. Andere Frauen sind damals schnell im Urteilen, anstatt liebevoll und einladend zu sein. Trotz alledem hält Naomi irgendwie an Gott fest und lässt Ruth frei. Diese badet nicht im Selbstmitleid, sondern krempelt die Ärmel hoch und sammelt fleißig das Getreide, das gezielt für die Armen übrig gelassen wurde. Schon am ersten Tag fällt sie mit ihrer Treue und Liebe zu Naomi auf. Möchten wir Menschen für Gott gewinnen? Lasst uns zeigen, dass wir Liebe haben.

Boas, ein wohlhabender Landwirt, bemerkt sie und gibt Anweisung, sie zu beschützen. Wir leben in einer gefallenen Welt, sodass Liebe sich manchmal so ausdrückt, dass wir das Böse, das es nun mal gibt, umschiffen so gut es geht. Wir können die gefallene Welt nicht vollständig reparieren, aber wir können einen Unterschied machen aus Liebe, da, wo wir sind. Liebe heißt in diesem Fall, dass Naomi das Beste für Ruth wollte, ohne Konkurrenzdenken. Sie nutzte ihr Wissen vom Gesetz und den Traditionen, um Boas und Ruth zusammen zu bringen. Ob Boas Ruth auch ohne das Eingreifen von Naomi als potentielle Ehefrau gesehen hätte? Ich bezweifle es. Liebe spornt uns an, uns zum Wohl anderer zu engagieren. Als Ruth dann mutig die Initiative ergreift und um seine Hand anhält mit dieser merkwürdigen Geste, als sie sich zu seinen Füßen legte, antwortet Boas: „Der Herr segne dich, meine Tochter. Jetzt zeigst du noch größere Liebe als bisher.“ (Ruth 3, 10a). Aus Sicht der Welt ist diese Kompliment falsch herum. Da wäre Boas derjenige, der für seine Güte Lob verdient, ein wohlhabender Mann, der sich der Versorgung einer Witwe annimmt. Aber Boas sieht Ruth als Segen für sich. Liebe heißt, dass wir wertschätzen, was Gott wertschätzt, ohne uns von Rollenverständnissen blenden zu lassen. Am Beispiel von Ruth und Naomi sehen wir, wie sie Gottes Güte und Versorgung feiern konnten, anstatt in ihrer Armut bedrückt zu sein. Im letzten Kapitel des Buches Ruth kommen die Frauen aus dem Dorf und preisen Ruth: Sie sei „besser als sieben Söhne“. Aus Ruths Liebe für Naomi wird Segen, nicht nur für die Schwiegermutter, sondern für die ganze Nation, denn Ruths Sohn wird später der Großvater von König David.

Hier sind noch einmal die sieben Aspekte, wie Liebe uns befreit:

  1. Uns von Jesus geliebt zu wissen, ermächtigt uns dazu, liebevoll zu sein.
  2. Wir müssen nicht mehr darum kämpfen, gut zu sein. (Frei von Leistungsdruck)
  3. Wir verurteilen andere nicht aufgrund ihrer Taten, Dinge oder ihres Aussehens.
  4. Wir können im Glauben über widrige Umstände hinwegsehen.
  5. Wir wollen für andere das Beste.
  6. Wir sind gleichgestellt.
  7. Wir feiern das, was wir haben, anstatt aus einer Opferhaltung heraus zu leben.

Liebe – radikale, großzügige, opferbereite Liebe – ist die Grundlage für Leben und Leiterschaft.

 

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